Eine Art Beipackzettel
Seit ein paar Jahren schon mache ich ab und an Radiosendungen bei den Philosophischen Brocken auf Radio Orange. Angefangen habe ich mit einem Beitrag zum Krieg - mir blieb auch nichts anderes übrig, nachdem ein philosophisches Café, das ich für einen Kollegen supplierte, ziemlich aus den Fugen geriet. Es war kurz nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges und das Chaos, das der Krieg weltweit angerichtet hatte, trat auch in den Wortmeldungen zutage. In Ist der Krieg der Vater aller Dinge? bin daher der Frage nachgegangen, was es mit diesem Satz des Vorsokratikers Heraklit eigentlich auf sich hat und ob er wirklich meint, dass es unausweichlich sei, Krieg zu führen … oder sogar gut?! (Spoiler: Nein.) Für die zweite Sendung war damit klar, dass es um die Freundschaft gehen muss, denn Philosophierende sind vor allen Dingen Freundinnen und Freunde (die philoi). Also eine Sendung zu der Frage, was die Philosophie zu einer freundschaftlichen Angelegenheit machen kann - oder sogar: muss -, warum Pico della Mirandola dachte, dass Philosophie sogar den Weltfrieden bringen wird und nicht zuletzt, warum es verdammt wichtig ist, dass die eigenen Freund:innen kochen können.
Eine Frage blieb für mich dabei aber unbeantwortet: Wenn Freundschaft so wichtig ist, warum denken wir heute so viel über die Liebe nach - und so viel mehr, als uns eigentlich lieb sein kann? Eine Antwort fand ich in dem Begriff des Abenteuers - beziehungsweise in dem, was wir heute meistens unter Abenteuern verstehen: Wir denken nämlich, dass wir stark und unverletzbar sein müssen, aber wenn es nach sämtlichen Abenteurer:innen, Superheld:innen und Entdecker:innen geht, ist das Gegenteil der Fall. Abenteuerlich zu sein heißt vor allem, sich einzulassen und verletzlich zu werden. - In der Liebe, so mein Verdacht, fällt uns das leichter als in der Freundschaft, die in ihren Formen und Formationen um so vieles unbestimmter ist als unser Liebesleben (das, wie Niklas Luhmann einmal sehr diplomatisch formulierte, „schon aus Gründen hinreichender Verständigung nur begrenzte Modifikationen zuläßt“). Sich einzulassen, sich zu riskieren, heißt, zu akzeptieren , dass man scheitern kann, sowohl in der Liebe, als auch in der Freundschaft.
Vielleicht hab ich es heraufbeschworen - meine erste von mir initiierte Gruppensendung machte dann auch wirklich eine Bruchlandung. Mein ursprünglicher Plan, über das Trauern ganz unbedarft, quasi ohne Trauerflor zu sprechen, ging im wahrsten Sinne des Wortes mordsmäßig schief. Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 blieb mir nichts anderes übrig, als eine Farbenlehre zur Trauer zu machen, die unvollständig blieb - weil es um das Gegentrauern, um Politisierung von Erinnerung und Gedenken, um Wut und um Hass ging, und um viele Worte, die fehlten und noch vielmehr, die am falschen Ort waren -, nicht aber um das, was Trauern noch alles sein kann.
Das Scheitern ließ mich auch an einer ganz anderen Front nicht los - nämlich in der Liebe. So klein und nebensächlich es auch scheinen mag, eigentlich ist das Denken über die Liebe gar nicht so unbedeutend. Das zumindest legt Hannah Arendt nahe, die in Rilkes Hochschätzung der Einsamkeit der Liebenden einen jener Faktoren ausmacht, welcher dazu geführt hat, dass im 20. Jahrhundert Menschen überflüssig werden konnten. Aber auch abseits davon ist es richtig wichtig, darüber nachzudenken, was es mit der Liebe so auf sich haben könnte. Denn es ist doch ziemlich bemerkenswert, dass es Menschen gibt, die dort bleiben, wo es nicht mehr weitergeht, dort nämlich, wo man sich nach marktlogischen Überlegungen nicht mehr aufhalten sollte. Daher: Ein Plädoyer für die unglückliche Liebe und eins gegen sie. Im Frühjahr 2026 gibt es ein ganzes Buch von mir dazu. Wer zwischenzeitlich Bedarf haben sollte, möge sich doch die Gedanken für den Tag auf Ö1 zu Gemüte führen, ab 20. Oktober 2025 jeden Tag kurz vor sieben.
Abseits davon gibt es von mir auch noch ein paar kleinere Häppchen: Eines zum Glück, eines über den Widerstand und eines zum Schweigen. Aber das ist eine andere Geschichte.